ZOLLCOACHINGZOLLCOACHINGZOLLCOACHING
+49 531 47231852
info@zollcoaching.de
ZOLLCOACHINGZOLLCOACHINGZOLLCOACHING

Warum gehört die Produkt Compliance untrennbar zum risikoarmen Zollprozess dazu?

Der Zoll agiert als verlängerter Arm der Marktüberwachungsbehörden. Vielleicht mussten Sie selbst schon diese leidvolle Erfahrung im Rahmen einer Zollkontrolle machen? Ich selbst erinnere mich noch an einen Mandanten, der vor nicht allzu langer Zeit enorme Mengen von Atemschutzmasken importierte und das zuständige Gewerbeaufsichtsamt mit den gebotenen Kennzeichnungen nicht zufrieden war. Der komplette Warenbestand musste in vielen Nachtschichten neu gelabelt werden, bis nach Wochen des gefühlten Wahnsinns endlich die Freigabe kam. Beim Thema Product Compliance ist es also letztlich wie im Zollrecht. Manche Regularien sind schwer zu verstehen und greifbar. Umso wichtiger ist es deshalb, sich praktische Expertise ins Boot zu holen, damit Sie sich wieder auf Ihre Kerntätigkeit konzentrieren und wenn wir ehrlich sind, letztlich auch ruhig schlafen können. Aus diesem Grund arbeiten wir mit der Fox Compliance GmbH engmaschig zusammen. Sebastian Jockusch ist deren Geschäftsführer und mit Leib und Seele Product Compliance Experte. In diesem ersten Artikel gibt er einen Einblick in die Schnittmenge Product Compliance und Zoll.

Sebastian -warum bleiben deiner Meinung nach immer mehr Warensendungen im Zoll hängen?

Mit dem Inkrafttreten der neuen Marktaufsichtsverordnung (MÜ-VO) (EU) 2019/1020 (zum 01.01.2021, in letzten Teilen am 16.07.2021) wurde die Kooperation zwischen dem Zoll und den verschiedenen Marktaufsichtsbehörden auf ein neues Level gehoben.

Erklärtes Ziel des europäischen Gesetzgebers war es, den Import von Produkten in den harmonisierten Warenmarkt der EU einer besseren Kontrolle zugänglich zu machen. Dazu wählte Brüssel das Instrument der europaweit einheitlichen und direkt geltenden Verordnung, was de facto zu einer Vollharmonisierung der Regeln zur Produktkontrolle an allen Grenzstellen der EU führte.

Bis dahin konnten Non-Food-Produkte aller Art regelmäßig, nahezu unkontrolliert – zumindest was den Bereich der Product Compliance betrifft – die EU-Grenzen passieren, um sodann innerhalb des EU-Binnenmarktes frei gehandelt zu werden. Dies hat sich nun mit besagter MÜ-VO grundlegend geändert und ist auch in der täglichen Praxis allseits deutlich zu spüren.

Für die Leser, die sich noch nie mit dem Thema Product Compliance beschäftigt haben. Wie würdest du dein Themengebiet erklären?

Unter diesem Begriff versteht man die Einhaltung der grundlegenden Anforderungen an die Verkehrsfähigkeit von Produkten.

Anders ausgedrückt sind einem diese öffentlich-rechtlichen Regeln in Bezug auf sein konkretes Produkt nicht bekannt oder hält man diese gesetzlichen Mindestvorgaben zur Produktsicherheit (elektrisch, mechanisch, formal in der Kennzeichnung), chemischen Sicherheit, Ökodesign, Lebensmittelechtheit usw. praktisch nicht ein, droht ein Import- und Handelsverbot der betroffenen Produkte, deren Rücknahme oder deren Rückruf, (öffentliche) Produktwarnungen, im schlimmsten Falle Bußgelder, Geld- oder gar Gefängnisstrafen.

Product Compliance beschreibt also zusammenfassend alle rechtlichen, formellen und materiellen, Vorgaben, welche ein Produkt zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens (erstmalige Bereitstellung am Markt) und einhalten muss. Fachkenntnis ist somit unabdingbar, um allseitigen Eingriffen sowie Reputationsschäden, auch die durch (soziale) Medien präventiv zu begegnen. Im schlimmsten Fall drohen gar dauerhafte Einträge in die europäischen Warnportale RAPEX bzw. RASFF.

Was hat sich aus deinem Blickwinkel durch die neue Marktüberwachungsverordnung in der Praxis jetzt geändert?

Neben dem verschärften Kooperationsgebot mit dem Zoll wurden zudem die Befugnisse der Marktüberwachungsbehörden europaweit in über 70 verschiedenen Rechtsakten /-bereichen vereinheitlicht.

Es wurden neue Wirtschaftsakteure legaldefiniert und mit der Erfüllung von rechtlichen Verpflichtungen beauftragt. Neben den bisher bekannten Rollen als Hersteller, Einführer, Bevollmächtigte und Händler können nun Unternehmen in ihre Rolle als Fulfillment-Dienstleister, Marktplatzbetreiber und/oder IT-Dienstleister in Anspruch genommen und ebenso kontrolliert werden.

Wo siehst du produktrechtliche Stolperfallen beim Importprozess?

Da der Zoll vorrangig Aufgaben in seiner Rolle als Finanzpolizei ausübt, so z.B. die korrekte zollrechtliche Eintarifierung der Waren überprüft, kann er auch nur in sehr begrenztem Rahmen Waren im Hinblick auf deren Konformität mit den europäischen Produktsicherheitsregeln überprüfen. Deshalb bleibt es beim Zoll häufig bei Sichtprüfungen im Hinblick auf die leicht zu kontrollierende Kennzeichnung.

Exemplarisch werden hier einmal folgende Punkte auf deren Existenz oder korrekte Größe hin kontrolliert:

  • fehlende postalische Adresse des Importeurs in die EU am Produkt
  • fehlende Identifizierung am Produkt(z.B. Artikelnummer)
  • augenscheinlich ernstes Risiko für Gesundheit, Sicherheit oder Umwelt
  • fehlende Unterlagen (z.B.: Konformitätserklärung wo vorgeschrieben)
  • falsche Kennzeichnung oder Etikettierung
  • CE-Zeichen vorhanden (bestimmte Produkte müssen es tragen, andere dürfen es nicht)
  • WEEE-Symbol vorhanden (Mülltonne) bei elektrischen Artikeln
  • fehlende Warn- und Sicherheitshinweise in der Amtssprache des Import-/Ziellandes
  • fehlende Piktogramme
  • Auch ein auffälliger Geruch, z.B. chemischer Natur kann ursächlich für einen (temporäre) Aussetzung des freien Warenverkehrs und Übermittlung an die Fachbehörden sein. Diese organisieren in der Folge detailliertere Produktprüfungen., deren Kosten bei Nichtbestehen freilich auch durch den betroffenen Importeur zur tragen sind.
Da stimme ich dir vollkommen zu und wo du so aufzählst, kommen Erinnerungen von Nähmaschinen mit abkratzbarem CE- Kennzeichen damals noch am Zollamt bei mir hoch. Insofern- was würdest du Unternehmen raten, um präventiv gegen die große Palette an behördliche Beanstandungen vorzugehen?

Da Zollkontrollen gemäß des EU-Zollcodex aus (EU) 952/2013 einen risikobasierten Ansatz verfolgen, sind die bereits dargestellten, zumeist formellen Punkte, gewissenhaft einzuhalten. Wenn Importeure schon an den einfachen Formalien scheitern, darf mit berechtigten Zweifeln eben davon ausgegangen werden, dass diese Artikel keine Produkttests bestanden haben bzw. diese nicht bestehen würden. Wichtig ist zum Beispiel die korrekte Kennzeichnung, wie sie diese Art des Produktes vorgeschrieben ist, einzuhalten. Einschlägige Testreport, im Übrigen auch für Verpackungen, sind ebenso wichtig und werden häufig vergessen. Aufbau- und Bedienungsanleitungen müssen dem Produkt beigelegt sein und zwar immer in der Amtssprache der Verwender.

© Helmut Jungclaus / Pixabay
Ich kann mich noch gut an wochenlang andauernde Kontrollen und ungeduldige Anrufe von Unternehmen erinnern. Kannst du das aus deiner Praxis so bestätigen?

Innerhalb der Kooperation mit den Marktaufsichtsbehörden (u.a. Gewerbeaufsicht, Lebensmittelaufsicht, Bundesnetzagentur) sind den Kontrollen enge zeitliche Fristen gesetzt. Obwohl die Kontrolleure mittlerweile digital im Rahmen des behördlichen Informationsaustausches zusammenarbeiten, kommt es immer wieder zu Verzögerungen. Nach Erhalt der Kontrollmitteilung des Zolls muss die Marktüberwachungsbehörde innerhalb von vier Arbeitstagen entscheiden, wie weiter zu verfahren ist.

Hier ist deshalb auch von Wirtschaftakteuren vor allem Kooperation und schnelle Kommunikation gefragt. Wichtig ist es , Unterlagen und Dokumente zum Nachweis der Verkehrsfähigkeit zügig zusammen zu tragen. Mit guten Argumenten lässt sich dann übrigens mit den Behörden eine Nachbesserung der beanstandeten Waren während der vorrübergehenden Verwahrung in einem Zollager vereinbaren.

Führt dies nicht zum Erfolg, bekommt das Unternehmen einen Eintrag in der zollinternen „schwarzen Liste“ (nachteilig bei neuen Importen) und die nicht-konforme Ware muss einem anderen Zollverfahren überlassen werden, wiederausgeführt oder zerstört werden. Die Einfuhr über andere Zollstellen ist dabei zwecklos, da diese freilich untereinander vernetzt und über die Nichteinfuhrfähigkeit informiert sind.

In meinem Newsletter informiere ich Sie über alles, was wichtig ist, um Zollrisiken zu vermeiden. Regelmäßig und ohne Behördendeutsch.

 Tragen Sie sich bitte hier ein