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Europas Zoll reformiert sich dramatisch – wirklich ?

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Es ist die „ehrgeizigste und umfassendste Reform der EU-Zollunion seit deren Gründung im Jahr 1968“, so heißt es in einer Pressemitteilung der EU-Kommission vom 17.Mai 2023. Worum gehts ? Es wird ein neues datengesteuertes System für den Zoll in der gesamten EU eingeführt, das die Zollverfahren und Meldepflichten erheblich vereinfachen und straffen soll. Damit verbunden soll auch eine deutliche Verkürzung der Abfertigungszeit sein. Das besondere Augenmerk liegt dabei auf dem elektronischen Handel. Das klingt doch erst einmal großartig, denn bis dato ist der Zoll vor allem eins – eine Bürokratiekrake. Schauen wir uns deshalb jetzt drei Schwerpunkte der Zollreform an:

1. Einrichtung einer zentralen EU-Zollbehörde mit einer EU-Zolldatenplattform:

Mit der neuen Behörde wird gleichzeitig eine völlig neue EU-Zolldatenplattform geschaffen. Diese Plattform soll die bisher vorhandenen IT-Strukturen in den jeweiligen Mitgliedstaaten ersetzen. Das soll laut der EU-Kommission Einsparungen von rund 2 Mrd. EUR jährlich bringen.
Für die Unternehmen würde dies ein erhebliches Einsparpotential an Zeit und wohl auch Geld bedeuten. Alle relevanten warenbezogenen Daten inklusive Informationen über Lieferketten sollen künftig über eine einzige Zollplattform eingegeben werden können. Diese Datenbank gibt einen Gesamtüberblick über Lieferketten und den Warenverkehr. Sogenannte „Trust & Check“-Händler -also besonders vertrauenswürdige Unternehmen, deren Geschäftsabläufe und Lieferketten völlig transparent sind, können Wareneinfuhren ohne aktive Beteiligung des Zolls in der EU in den Verkehr bringen. Das wird wohl Musik in den Ohren vieler Händler sein. Endlich weniger Lieferverzögerungen durch weniger Zollkontrollen!

Die Datenplattform soll für den elektronischen Handel ab 2028 und ab 2032 auf freiwilliger Basis für alle anderen Einführer zur Verfügung stehen.

2. Intelligente Zollkontrollen

Hier kommt die Künstliche Intelligenz (KI) ins Spiel. Sie wird zur umfangreichen Datenanalyse und -überwachung genutzt. Die Informationen sind dabei schon vor Wareneinfuhr in die EU verfügbar.
Damit soll es dem Zoll möglich sein, sich insbesondere auf die Verhinderung der Einfuhr gefährlicher oder illegaler Waren zu konzentrieren. Dazu gehört auch die Überwachung hinsichtlich der Einfuhr von Waren, die z.B. das Klima schädigen oder die Entwaldung im Drittland forcieren.
Und natürlich wird auch die Abgabenerhebung dadurch effektiver gestaltet.
Die EU-Zollbehörde soll dabei den nationalen Behörden als Quelle dienen, in der alle Informationen zusammenlaufen und bereitgestellt werden.

Nicht nur der Zoll, auch die Marktüberwachungs- und Strafverfolgungsbehörden, sollen die Zolldatenplattform zum Informationsaustausch nutzen.

3. Verantwortung der Online-Plattformen für die Entrichtung der Zölle und Mehrwertsteuer

Die Online-Plattformen als offizielle Einführer sind verantwortlich für die Erhebung der Abgaben beim Kauf durch die Kunden. Damit ist der Endkunde nicht mehr mit Zollformalitäten und möglichen Schwierigkeiten bei der Einfuhr belastet.

Die Zollbefreiung für Waren mit einem Wert unter 150 EUR wird aufgehoben. In der Vergangenheit ist es immer häufiger zu Unterfakturierungen gekommen, um Zoll zu sparen. Oder anders gesagt – das System wurde massiv missbraucht. Hier will die EU nun gegensteuern. 

Wie genau ?
Es soll für Sendungen mit geringem Wert vereinfachte Zollsätze geben. Die EU-Kommission spricht davon, dass Tausende mögliche Zollkategorien auf ganze vier reduziert werden. Das erleichtert die Zollberechnung für diese Sendungen angeblich ungemein. Wenn man bedenkt, dass nach Auskunft der EU-Kommission jährlich rund 1 Milliarde Einkäufe in die EU von außerhalb online getätigt werden, birgt das neue System auch diesbezüglich ein erhebliches Einsparpotential. In der EU rechnet man mit zusätzlichen Zolleinnahmen von 1 Milliarde EUR pro Jahr.

Fazit:

Noch ist die Reform Zukunftsmusik. Schließlich muss sie noch einige Hürden überwinden, ehe sie in die Tat umgesetzt werden kann. So muss das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union zustimmen und der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss muss konsultiert werden.
Da hier verschiedenste Interessen aufeinanderprallen könnten, bleibt abzuwarten, was aus dem Projekt tatsächlich wird.

Sollte es verabschiedet werden, wäre das tatsächlich ein Meilenstein hin zur vollständigen Digitalisierung und damit dringend Effektivitätssteigerung der Zollbehandlungen zum Wohle der Bevölkerung und der betroffenen Unternehmen. Insbesondere der Datenaustausch mit Zollbehörden anderer Mitgliedstaaten ist schon jetzt mehr als überfällig.

Die Umsetzung von Kontrollen, um weiteren Missbrauch der 150 Euro Grenze/ Unterfakturierungen  zu vermeiden, wird sich meiner Meinung nach in der Praxis mehr als schwierig gestalten und eher zusätzlichen Aufwand als Nutzen erzeugen. Denn solange der Zöllner bereits an der Grenze keinen Einblick in die Finanzbuchhaltung des Unternehmens hat, wird er auch nicht im Stande sein die Korrektheit von angemeldeten Werten schon jetzt zu prüfen.

Vergessen werde sollte auch nicht, wofür die Zolldaten auf einer gemeinsamen Plattform dann in Zukunft auch noch genutzt werden können! Protektionismus scheint angesichts der weltweiten Unruhen und Bedrohungen ein nicht umentscheidender Faktor gewesen zu sein, die Reform in Gange zu setzen. Denn Lieferströme lassen sich bisher nur sehr dezentral nachvollziehen.

Der Status eines Trust & Check“-Händlers wird dabei wohl auf Intreesse bei sehr vielen Unternehmen stoßen. Doch Obacht – wer bereits den Status eines sog. AEO hat weiß, welcher Bürokratie und Monitoringaufwand sich dahinter doch letztlich verbirgt. Zu hoffen ist hier, dass die ausschweifenden Pflichten für diesen Status deutlich verkürzt werden. Andernfalls enden wir dort, wo alles angefangen hat – bei einer Bürokratiekrake 2.0.

Mehr dazu auch im Interview mit dem Handelsblatt hier.













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