Zoll fordert 213 Mio.€ Zölle von Unternehmen zurück, Anstieg um 86%

213 Millionen € Zollabgaben. Soviel hat der deutsche Zoll nur durch nachträgliche Prüfungen von Unternehmen im Jahr 2020 nachgefordert. Die Zahlen stammen aus der Zoll Jahresstatistik der Generalzolldirektion für das Jahr 2020. Die Summe ist gewaltig und sagt klar aus-  Unternehmen tun sich mit dem Thema Zoll schwer und vieles läuft erheblich schief. Nun hat die Zollverwaltung scheinbar davon genug und zieht die Daumenschrauben gewaltig an. Innerhalb von nur zwei Jahren sind die Rückforderungen um über 86% angestiegen. Die Folgen des Brexits sind hier noch gar nicht berücksichtigt, denn im vergangenen Jahr war Großbritannien noch Mitglied der Europäischen Union.


Zufall? Wohl eher nicht. Vielmehr ist zu vermuten, dass die Zollverwaltung noch intensiver im Nachhinein hinschaut, auch dank moderner Auswertesoftware. Wer immer noch glaubt, das mit der Verzollung auch alle Zollrisiken erledigt sind, der irrt sich gewaltig. Der Zoll prüft nachträglich und gerne gleich für die letzten 3 abgeschlossenen Geschäftsjahre. Der Zollprüfer analysiert das Unternehmen schon im Vorfeld der Prüfung und steigt z.B. tief in die Buchhaltung ein. Früher wurden eher selten Bußgeld- oder Steuerstrafverfahren eingeleitet. Das hat sich in den letzten 2 Jahren deutlich geändert. Im Jahr 2020 wurden so bereits über 13.000 solcher Verfahren eingeleitet. Im Verhältnis zur Anzahl der geprüften Unternehmen, eine weitere enorme Zahl.

Thema Zoll – immer noch der blinde Fleck im Sourcing?

Immer mehr Unternehmen dämmert indes, dass das Thema Zoll sich nicht nebenbei erledigen lässt und internes ZollKnow-how nötig ist. Das Fehler vermeidbar gewesen wären, bemerken viele Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer  leider erst in der Rückschau nach erfolgter Zollprüfung. Traditionell zeigt die Zollverwaltung hier jedoch wenig Verständnis. Auch das sich euer Unternehmen in den letzten Jahren in der Skalierungsphase befunden hat und euer Fokus in anderen Bereichen lag, interessiert den Zoll wenig bis gar nicht. Eine Prüfung wird immer schriftlich vom Hauptzollamt angekündigt. Der Prüfer wird sich mit dir in Verbindung setzen und einen Termin für das erste einführende Gespräch vereinbaren. Dabei solltest Du schon folgende Dokumente parat haben:

  • Daten der Finanzbuchhaltung der letzten drei Geschäftsjahre
  • Summen – und Saldenlisten der letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahre
  • geprüfte Jahresabschlüsse der letzten zwei Geschäftsjahre
  • eine Liste mit zuständigen Ansprechpartnern aus dem Bereich Einkauf, Finanzbuchhaltung und Geschäftsführung

Wie so eine Prüfung  abläuft, zeigen wir dir gerne in einer Simulation. Melde dich dazu einfach bei uns über das Kontaktformular.

Ein Fall aus der aktuellen Praxis

Ein klassischer Fehler ist die Bestimmung der Zolltarifnummer. Jede Ware muss einer solchen Codenummer zugeordnet werden. Davon hängt insbesondere der zu zahlende Zoll ab. Wer glaubt für die Bestimmung der Zolltarifnummer ist der Lieferant, die Spedition oder der Zoll zuständig, der irrt. Niemand kennt die Ware besser als das Unternehmen selbst, darum liegt die Pflicht zur Festlegung auch immer bei euch.

Importiert wurden in den letzten 3 Jahren Hängematten aus Baumwolle im Wert von 750.000 €. Das Unternehmen sah die Hängematten als ein Möbelstück an, Zollsatz 0%. Der Zoll widersprach dieser Auffassung im Rahmen der Zollprüfung und stellte fest, dass es sich nach aktueller Rechtslage hier um sog. konfektionierte Spinnstoffwaren handelt. Das hatte folgendes Ergebnis:

  • Bisher angewandter Zollsatz: 0,00%
  • Bisher gezahlte Zölle: 0,00 €
  • Festgestellter Zollsatz: 12,00%
  • Zu zahlende Zölle: 90.000,000 €

Es wurden also 90.000,00 € zu wenig Zölle innerhalb der letzten 3 Jahre gezahlt. Neben der Zollnachzahlung wurden auch noch Hinterziehungszinsen und Säumniszuschläge fällig. Gegen die Geschäftsführung wurde ein Verfahren wegen leichtfertiger Steuerverkürzung eingeleitet. Kleine Fehler in der Festlegung der Zolltarifnummern summieren sich schnell zu großen Beträgen auf und sorgen zudem für falsche Kalkulationen. Oft über Jahre hinweg und fast immer, ohne das ihr es selbst bemerkt. Wer naiv genug ist und glaubt, sein Unternehmen wird das schon nicht betreffen, hat später auch die mögliche wirtschaftliche Schieflage seines Unternehmens zu verantworten, in die zu viele Unternehmen anschließend geraten.  So sieht das im Übrigen auch der Zoll. Er nennt dies dann Aufsichtspflichtverletzung.

Hier auf dem Zollblog haben wir bereits zusammen mit wortfilter ausführlich in 3 Teilen über eine optimale Vorbereitung auf die Zollprüfung berichtet.

Teil 1: Dauer, Zeitraum und Unterlagen für die Zollprüfung

Teil 2: Beginn, Einführendes Gespräch und Durchführung

Teil 3: Ergebnis, Haftung und Prüfungsbericht